In der Sondersitzung am 13. März, die ausschließlich der Beschlussfassung zur Beauftragung eines Büros galt, haben sich drei Büros vorgestellt. Das Büro Sippel.Buff, das einen ausführlichen
Bürgerbeteiligungsprozess vorsieht, hat das Rennen gemacht. In der so genannten Phase 1 wird sich das Büro mit der Verwaltung auf die Details für Phase 2, der eigentlichen Ausführungsphase,
einigen und das Konzept dem neuen Gemeinderat zur Beschlussfassung im Herbst vorstellen. Und dann kann es losgehen! Wir VaihingerInnen werden uns ein Leitbild geben, das für die nächsten 10 - 15
Jahre wegweisend für die Stadt sein wird. Wir von DIVaN werden den Prozess aufmerksam verfolgen und an dieser Stelle kommentieren. Man darf gespannt sein!
Ausführliche Informationen und die Beschlussvorlage findet man hier.
Am Mittwoch, den 13.3.2019, war ich zum ersten Mal in einer Rathaussitzung. Und zwar in Vaihingen an der Enz. Ich habe dabei einige Erkenntnisse mitgenommen. Es handelte sich um eine
Rathaus-Sondersitzung mit dem Ziel einer Agenturauswahl zum „Vaihinger Leitbildprozess + Bürgerbeteiligung“.
Drei Agenturen, die aus 5 zuvor angefragten, von der Stadtverwaltung ausgewählt wurden, präsentierten ihre Vorgehensweise. Jede jeweils 15 Minuten. Danach gab es eine 15-minütige GR-Fragerunde
pro Agenturvorstellung.
Es handelte sich um folgende 3 Agenturen:
Eine Recherche meinerseits im Vaihinger Ratsinformationssystem am FR 15.3.2019 ergab keinerlei Ergebnisse bzgl. dessen, was der Vaihinger Gemeinderat am MI 13.3.2019 beschlossen hat.
Stattdessen stand da zu lesen: Die letzte Aktualisierung des Systems erfolgte am 13.03.2019 19:00.
Einer der wesentlichen Punkte, die bzgl. des „Vaihinger Leitbildes“ erarbeitet werden soll, lautet: Transparenz. Zur Transparenz gehört, dass die Vaihinger BürgerInnen unmittelbar über
Ratsentscheidungen informiert werden.
In der GR-Sitzung wurde auch eine Präsentation der Verwaltung rund um den „Leitbildprozess“
vorgestellt..
Meine Eindrücke aus der Sondersitzung des Vaihinger Gemeinderates am MI 13.3.2019 sind die folgenden:
- 2 von 3 der sich vorstellenden Agenturen sind so aufgestellt, dass man sie prinzipiell wählen konnte. Da frage ich mich: Wie hat es die von allen(!) Gemeinderäten als nicht wählbar
empfundene Agentur aus Karlsruhe überhaupt in den Sitzungssaal des Rathauses geschafft? Kein einziger der Gemeinderäte gab beim Schlußvotum eine Stimme für diese Agentur ab. Gab es denn kein
„Briefing“ des Gemeinderates an die ausführende Verwaltung, das die Auswahlkriterien festlegte?
- Sehr überraschend für mich und offensichtlich auch für die Gemeinderäte war (einer formulierte das explizit), dass direkt nach den Kurzpräsentationen bereits abgestimmt werden soll. OB Maisch
formulierte das so: „Wir denken, dass wir das so machen wollen“. Wer ist da „Wir“? Die Verwaltung mit OB Maisch an der Spitze? Es wurde über diese „Ad-hoc-Abstimmung“ im Gemeinderat nach dieser
OB Maisch-Aussage nicht weiter diskutiert. Ich selbst hätte mich als Vaihinger Gemeinderätin erst noch einmal mit meiner Fraktion dazu beraten wollen und ich hätte mir die Agenturen auch noch
etwas genauer anschauen wollen. Schließlich haben diese alle Homepages, wo aufschlussreiche Praxis-Beispiele hinterlegt sind. An der guten Auswahl der Agentur hängt schließlich das gute Gelingen
des „Leitbild- und Bürgerbeteiligungsprozesses“ ab. Ein Prozess, der die Stadt viel Zeit + Geld kosten wird.
- Es geht also um die Themen „Leitbild“ und „Bürgerbeteiligung“ und den anwesenden zahlreichen Bürgerinnen wird dazu aber kein Fragerecht an die Agenturen eingeräumt. Die Ergebnisse dieser
Fragen hätten ja durchaus für die Gemeinderäte einen Erkenntnisgewinn bringen und in deren Entscheidung einfließen können.
- Den Ausführungen der Wiener Agentur war zu entnehmen, dass der Ausschreibungstext der Stadtverwaltung dergestalt war, dass es zwei Verfahrensblöcke gibt: BLOCK 1: Da kommen nur die Agentur,
Verwaltung und der Gemeinderat zum Zug. Keinerlei Bürgerbeteiligung. Obwohl es da bereits um so wesentliche Dinge, wie Transparenz, Marke, Design etc. geht. Als Marketerin weiß ich, dass eine
„Marke“ sich aus dem innersten Kern eines Leitbildes ergibt. Bei Unternehmen wie bei Kommunen. Erst in BLOCK 2 stoßen dann die Vaihinger BürgerInnen dazu. Da frage ich mich, was denen dann noch
an Inhalten bleibt? Die Stadt Vaihingen hat gerade ein Bürgerbegehren verloren. Da ist ein Aufschieben von „Bürgerbeteiligung“ kein sonderlich befriedender Ansatz.
- Wie ich der Vorab-Präsentation der Verwaltung entnahm, soll es beim anstehenden Prozess zu 100% dabei bleiben, dass das „Leitbild“ letztlich allein vom Gemeinderat entschieden wird. Wie auch
alle anderen städtischen Themen, die künftig zu beraten sind. Das ist für mich als Demokratin unbefriedigend. Mit dem „Leitbild“ werden in Vaihingen die Weichen für 10-15 Jahre gestellt. Das ist
eine Entscheidung, die sogar weit über die Dauer eines einzelnen Gemeinderates hinausgeht. Da wäre es durchaus sinnvoll, eine Abstimmung über das „Leitbild“ in der Vaihinger Bevölkerung
durchzuführen.
„Ohne die Bürger geht gar nichts!“ so der OB von Deidesheim (CDU), der am Dienstag, 12.3. im Vaihinger Rathaus-Sitzungssaal das Leitbildkonzept „Cittaslow“ vorstellte. Ein Erfolgsmodell, das bereits in 25 Ländern umgesetzt wird. Selbst aus Südkorea und China gibt es Anfragen, als
„Cittaslow“-Stadt aufgenommen zu werden. Die Stadt Schwetzingen läßt sich gerade für „Cittaslow“ zertifizieren, aber auch im Schwarzwald und am Bodensee und in Oberschwaben gibt es bereits
baden-württembergische „Cittaslow“-Städte. All diese Kommunen haben erkannt, dass das Konzept, das hinter „Cittaslow“ steht, einen Standort-Qualitäts-Vorteil mit sich bringt. Ein grüner
Gemeinderat erwähnte die von den Vaihinger GRÜNEN am Vortag ausgerichtete „Cittaslow-Veranstaltung“ als eine Leitbild-Möglichkeit. Ich hatte da den Eindruck, dass den anderen VAI-Gemeinderäten
das Konzept „Cittaslow“ gänzlich unbekannt ist. Diese Wissenslücke hätten die Gemeinderäte am Vortag leicht schließen können. Der Deidesheimer OB war sogar mit zweien seiner Mitarbeiter
angereist, um jedwede Nachfrage beantworten zu können.
Ein weiteres innovatives Konzept verfolgt die Stadt Tübingen. Der dortige OB Palmer lässt aktuell eine „Abstimm-App“ einführen, mit der Bürgerinnen zu bestimmten Themen „abstimmen“ können. Zuerst
nur als „Vorschlag“ an den Gemeinderat, aber mit der Perspektive der Weiterentwicklung zu „realen Abstimmungen“ , siehe Artikel
vom 13.3.2019. Dies zeigt, dass viele Kommunen bereits weiterdenken in Sachen „Bürgerbeteiligung“. Bürger zu beteiligen, damit kann jeder Gemeinderat übrigens zu jeder Zeit beginnen.
Mit oder ohne „Leitbildprozess“. Auf diesen muss kein Gemeinderat warten, um mit den BürgerInnen einen Dialog auf Augenhöhe zu beginnen.
- Begründet wurde die Zwei-Block-Variante, die die Vaihinger Stadtverwaltung als Ausschreibungsvorgabe wählte, damit, dass jetzt Kommunalwahlzeit sei. Da liefe in Sachen „Bürgerbeteiligung“
nicht viel, da alle politischen Akteure anderweitig beschäftigt seien. Deshalb wär‘s vernünftig, dass erst einmal via verschiedener Akteure am Leitbild gearbeitet wird. Und das Thema
„Bürgerbeteiligung“ erst im Herbst mit dem neuen Gemeinderat angegangen wird. Ich sehe solch eine Argumentation kritisch. Ein gerade-mal-noch-im-Amt-befindlicher-GR wählt für den
bald-ins-Amt-kommenden-GR bereits die Agentur aus, mit der dieser dann die Weichen für 10-15 Jahre stellen soll? Das halte ich für keine gute Sache. Man hätte die 3 Agenturen zudem im „Löwensaal“
präsentieren lassen können. Mit Bürgerbeteiligung. Als Argument hörte ich, wenn‘s jetzt nicht entschieden worden wäre, dann hätte der Start des Prozesses erst in 6 Monaten sein können. Das
leuchtet mir nicht ein. Eine Entscheidung hätte auch in einer der nächsten GR-Sitzungen erfolgen können. Bei langfristigen strategischen Entscheidungen sind darüber hinaus selbst 6 Monate
vernachlässigbar. Und in 6 Monaten ist Herbst und dann hätte man (wie jetzt auch mit BLOCK 2 geplant) gleich mit der „Bürgerbeteiligung“ starten können. Ein „Neuaufbruch“ sollte auch als ein
solcher wahrgenommen werden von allen VaihingerInnen und mit allen beteiligten Akteuren (Bürgerschaft – Gemeinderat – Verwaltung) als „gemeinsames Projekt“ starten.
- Letztlich hat die Bürogemeinschaft Sippel.Buff, Netzwerk für Planung und Kommunikation (Stuttgart), den Zuschlag erhalten. Mit 18 Stimmen von 20 abgegebenen Stimmen. 2 Stimmen entfielen auf
NonconformIdeenwerkstatt GmbH DE, Büro für Planung und partizipative Raumentwicklung (München/Wien). Letzterer Agenturvorschlag kam aus den Reihen der Vaihinger Bürgerschaft. Ein Zuwarten mit der
Entscheidung hätte den Bürgern signalisiert, dass man sich als Gemeinderat ernsthaft auch mit ihrem Vorschlag vor einer Entscheidung auseinandersetzt.
Die Agentur „Sippel. Buff“ hat bei mir durchaus einen guten Eindruck hinterlassen. Sie haben überzeugend dargelegt, dass sie viel Erfahrung mit solchen Leitbild-Prozessen in vergleichbaren
Städten Baden-Württembergs haben. Und sie haben sich auch bereits etwas mit der Vaihinger Ist-Situation beschäftigt.
Es ist Vaihingen sehr zu wünschen, dass aus dem anstehenden „Leitbild- und Bürgerbeteiligungsprozess“ für alle etwas Gutes erwächst!
Petra Lehner, 15.03.2019