Eine Demokratisierung der Demokratie ist möglich und nötig

Empörung und Engagement

Wir – ein kleiner Kreis von Parteien und Gruppierungen aus Bürgerbewegungen, der sich in Vaihingen/Enz zu einem „Demokratiekränzle“ zusammengefunden hat – sind empört: Über den zunehmen-den Abbau freiheitlicher, demokratischer Gepflogenheiten. Und wir sind engagiert: Wir wollen eine Bündelung derjenigen Kräfte anregen, denen an einer funktionierenden demokratischen Gesellschaftsordnung gelegen ist. Das vorliegende Papier ist Ergebnis dieser Initiative. Es soll die gedankliche Grundlage werden für ein größeres Bündnis: Wie auf einem Marktplatz (lat. = Forum) sollen Überlegungen angeboten werden, die zum Austausch und Mitnehmen bestimmt sind. Unter Bezug u.a. auf zwei kleine, prägnante Schriften von Stéphane Hessel („Empört euch!“ bzw. „Engagiert euch!“) nennen wir uns „Demokratie-Forum der Empörten & Engagierten“ (DemFEmpEng) – für alle Aufgeweckten, die den Schuss gehört haben.

 

Unser Selbstverständnis

Wir verstehen uns als entschiedene Demokratinnen. Wir sind uns bewusst, dass wir uns in der Bundesrepublik Deutschland – verglichen mit vielen anderen Ländern – auf einem hohen Niveau beschweren und Verbesserungen fordern. Trotzdem gibt es vor unserer eigenen Haustüre einiges zu kehren. Und genau dort wollen wir beginnen. Der heutige Entwicklungsstand unserer Gesellschaft lässt neue Wege der politischen Meinungsbildung zu. Ebenso gibt es bessere Möglichkeiten, deren Umsetzung zu kontrollieren, anstatt entsprechende Willensbekundungen im Sand verlaufen zu lassen. Seit der Epoche der Aufklärung sind Gleichheit aller Mitglieder einer Gesellschaft und eine möglichst rationale Debatte über das Gemeinwohl Kriterium für eine Demokratie. Hier sehen wir massive Defizite – bis hin zu massiven Einschränkungen von Grundrechten.

 

Das Elend der Demokratie

Ob Kriege geführt werden – angeblich zur Wahrung der Menschenrechte und zur Durchsetzung von Demokratie – oder ob „soziale Reformen“ erzwungen werden oder ob internationale Verträge, die tief in die politische Ordnung eingreifen, gegen breiten Widerstand durchgesetzt werden sollen – grundlegende gesellschaftliche und politische Änderungen werden nicht im Interesse der Bevölkerung der jeweiligen Länder und Regionen und schon gar nicht in deren Auftrag vollzogen. Ein Berufspolitikertum entfernt sich mehr und mehr vom Gemeinwohl und von den Anliegen der Bevölkerung, die – wohl nicht zuletzt aufgrund dieser Entwicklungen – den Wahlen in immer größerem Ausmaß fern bleibt. Ein immer kleinerer Kreis von Mächtigen bestimmt, was geschieht. Durch undemokratische Übertragung zentraler Kompetenzen auf Instanzen wie die EU verringert sich zusätzlich die Mitbestimmungsmöglichkeit bei entscheidenden politischen Fragen. Ein markanter Ausdruck dieser Verselbständigung eines undemokratischen politischen Systems ist das hemmungslose Ausspionieren der Bevölkerung bis hin zu politischen Amtsträgerinnen durch Geheimdienste.

 

Erste-Hilfe-Maßnahmen zur Rettung einer                       demokratischen Ordnung

Im Folgenden schlagen wir Maßnahmen vor, von denen die meisten von uns überzeugt sind, dass sie Wesentliches zur Erneuerung des demokratischen Prinzips beitragen könnten. Demokratie braucht allerdings darüber hinaus sehr allgemeine Bedingungen um sich gut entwickeln zu können: zum Beispiel ein Bildungssystem, das Demokratiefähigkeit für alle zum Ziel hat, Freiheit von Angst im Arbeitsleben und bei der Beteiligung an öffentlichen Angelegenheiten, mehr Gleichheit – politische und wirtschaftliche – ganz allgemein.

 

Wir aber suchen zunächst Wege in eine politische Praxis, die sofort beschritten werden können. Es geht uns um die Stärkung des direkten Einflusses der Bürgerinnen und Bürger. Darüber hinaus stellen wir Überlegungen an, wie schlechte Politik spürbar zu unangenehmen Konsequenzen führen kann für diejenigen, die sie zu verantworten haben.

 

Im Bemühen um diese grundsätzlichen Rettungsmaßnahmen für eine demokratische Ordnung können wir uns weitgehend inhaltlicher Stellungnahmen zu den einzelnen Bereichen der Politik von „Soziales“ über „Verkehr“ bis „Außenpolitik“ enthalten. Wir gehen davon aus, dass funktionierende demokratische Prozesse letztlich dem Gemeinwohl dienen.

 

Eines unserer Anliegen ist dabei, die aktuellen Restbestände demokratischer Prozesse für eine Umgestaltung zu nutzen. Alle bestehenden Parteien lassen sich daran messen, wieweit sie den hier vorgetragenen Grundgedanken zur Umsetzung verhelfen wollen. Sie sind aufgefordert, entsprechende Gesetzesinitiativen einzubringen und zu unterstützen.

 

Einzelmenschen und Gruppierungen, die sich von Parteien bewusst fernhalten, können durch ihre ausdrückliche Zustimmung zu diesem Manifest dokumentieren, dass sie in den genannten Punkten Änderungsbedarf sehen. Dadurch soll sich außerparlamentarischer Druck auf entsprechende Gesetzesinitiativen entfalten.

 

Unsere Vorschläge sind kein Wahlprogramm, von dem verlangt werden kann, dass es einen in sich zusammenhängenden Entwurf politischer Veränderung bildet. Wir sind uns bewusst, dass sich in unserem gemeinsamen Bemühen Widersprüche zeigen. In einem auf Breite angelegten Bündnis kommt es aus unserer Sicht darauf an, gut mit solchen Widersprüchen umzugehen. Hierzu gehört zunächst einmal, ihre Existenz anzuerkennen, ohne ihre direkte Beseitigung zu erwarten. Die beste Möglichkeit, damit umzugehen: eine lebhafte Diskussion darüber.

 

Wir glauben, dass die Zeit reif ist für eine breite Bewegung vieler Gruppen und Einzelner, die eine – wie oben skizzierte – bedrohliche Entwicklung der „Demokratie-wie-wir-sie-haben“ erkannt haben oder zu erfahren glauben; die mal kleinere, mal radikale Änderungen für notwendig halten und die trotzdem die schrittweise Durchsetzung ohne Waffengewalt für das Einzige halten, was alternativlos ist.

 

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