Beobachtete Defizite und Lösungsvorschläge

Die nachfolgend aufgelisteten Defizite sind sicher unvollständig und die dazu vorgeschlagenen Maßnahmen würden noch keine vollkommene Gesellschaft bewirken. Sie sollen eine Art „Erste-Hilfe“ für die gegenwärtig wahrnehmbaren Verletzungen von Demokratie-Prinzipien sein.

 

Wir fordern alle demokratisch gesinnten Parteien, Gruppierungen und Menschen dazu auf, zur Stärkung einer effektiv demokratischen Gesellschaftsordnung und des Gemeinwohls über diese Ideen fair zu debattieren und ihnen zur Durchsetzung zu verhelfen.

 

In drei Bereichen haben wir eklatante Defizite identifiziert und jeweils mögliche, teilweise widersprüchliche, zu diskutierende Lösungsvorschläge formuliert:

I. Allgemeine gesellschaftliche Veränderung

II. Verfahren der Repräsentation

III. Ergänzungen zur repräsentativen Demokratie

I. Allgemeine gesellschaftliche Veränderungen

1. Bildung

Beobachtetes Defizit:

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Auf allen Ebenen des Bildungssystems nimmt der Einfluss privater, nicht demokratisch legitimierter Akteure auf Formen und Inhalte der Bildung zu. Private Unternehmen unterstützen einzelne Schulen, Verbände richten Lehrstühle an Universitäten ein und vergeben Drittmittel für universitäre Forschungsprojekte. Banker erklären Schülerinnen, wie Wirtschaft funktioniert. Auch der Staat beeinflusst einseitig: Die Bundeswehr schwingt sich zur fachlichen Autorität vor allem an Schulen über internationale Politik und „Friedenssicherung“ auf.

Das öffentliche Bildungssystem sollte wieder vollständig steuerfinanziert sein und die gesamte Breite der Bildungsangebote abdecken. Intransparenter Einfluss privater oder einzelner staatlicher Interessengruppen durch Sponsoring oder Drittmittel sollte nicht mehr stattfinden. Primäres Ziel aller Bildung sollte immer auch sein die Fähigkeit zu stärken, an der Gestaltung der Gesellschaft aktiv mitzuwirken.


2. Wirtschaft

Beobachtetes Defizit:  .

Mögliche zu diskutierende Lösungen:


In den letzten Jahren wird immer deutlicher, wie sehr die Politik von einer Wirtschaft abhängt, die darauf ausgelegt ist, Reichtümer in den Händen von Wenigen anzuhäufen und rücksichtslose Zerstörung von Lebensräumen und Natur – langfristig unter Opferung von Hunderttausenden von Menschenleben – zuzulassen. Manche sprechen bereits von einem „Krieg Reich gegen Arm“. Bei solch einer rücksichtslosen Form des Wirtschaftens bleibt die Demokratie zwangsläufig auf der Strecke.

Die Wirtschaft sollte demokratisiert und stärker gesellschaftlich kontrolliert werden. Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz, Verteilungsgerechtigkeit, Naturschutz und planvoller Umgang mit knapper werdenden Ressourcen sollten sichergestellt werden. Die Anhäufung von Reichtümern in den Händen weniger Menschen sollte rückgängig gemacht werden. Das Geldsystem sollte so reformiert werden, dass verhindert wird, dass astronomisch hohe Scheinvermögen entstehen, die zwangsläufig in Krieg und Gewalt enden müssen. Die unablässige Privatisierung öffentlichen Eigentums sollte gestoppt und umgekehrt werden. Bereiche, die das Leben in einer Gesellschaft wesentlich bestimmen, sollten der politischen Kontrolle unterworfen bleiben bzw. wieder unterworfen werden.

 


II. Verfahren der Repäsentation

1. Beteiligung aller Bewohnerinnen

Beobachtetes Defizit:

Mögliche, zu diskutierende Lösungen:


In Parlamenten ist in der Regel die Gruppe der studierten, gesunden Männer im mittleren Alter und ohne Migrationshintergrund überrepräsentiert. Durch sie wird nicht die gesamte Bevölkerung angemessen abgebildet. Jedes politische Gremium ist deshalb einseitig. Ihm fehlen meist tiefere Einsichten in die Lebenswelten anderer Gruppierungen, es kann deren Interessen nicht angemessen vertreten. Unterrepräsentiert sind vor allem Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund. Darüber hinaus lassen sich Junge und Alte, Beschäftigte und Arbeitslose, Akademiker und Ungelernte, Behinderte und Nicht-Behinderte, Kranke und Gesunde etc. unterscheiden. (Deren Anteil an der Gesamtbevölkerung kann zudem Schwankungen unterliegen

Die politische Teilnahme vieler hier lebender Menschen ist teils aus rechtlichen, teils aus sozialen Gründen nicht gegeben. Entsprechende Rechte und Möglichkeiten sind zu schaffen. Auch wenn eine exakte Abbildung der Bevölkerungsstruktur in Gremien kaum möglich ist, so sind Modelle denkbar, die entsprechende Bevölkerungsteile verstärkt beteiligen:

  • Das Wahlrecht im Bund, in den Ländern und Kommunen könnte so geändert werden, dass Männer und Frauen zu gleichen Teilen in den Parlamenten und Stadt- und Gemeinderäten vertreten sind.
  • Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sollten auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene wahlberechtigt sein, wenn sie eine bestimmte Zeit hier leben – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus und ihrer Staatsangehörigkeit.
  • Alternative Auswahlmechanismen wie zum Beispiel das Losverfahren oder Methoden, die an das Berufungsverfahren von Schöffen angelehnt sind, könnten ein wirksameres Mittel sein, politische Gremien oder Ämter mit einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung zu besetzen.
  • Durch das Bildungssystem und ein verändertes politisches Klima sollten Menschen dazu ermutigt werden, sich verstärkt für ihre Rechte und Interessen politisch einzusetzen.

2. Repräsentation der Nicht- und Nein-Wähler

Beobachtetes Defizit

Mögliche, zu diskutierende Lösungen


Eine Demokratie lebt vom Mitwirken möglichst aller Stimmberechtigten. Die Beteiligung an Wahlen sinkt jedoch stetig. Die „Wahlsieger“ sind oft nur noch von einer kleinen Minderheit der Wahlberechtigten gewählt, ihre Politik also nicht annähernd von einer Mehrheit legitimiert. Die Wahlbeteiligung hat bisher keine Auswirkung auf das Wahlergebnis und die Legitimation des „Wahlsiegers“.

Eng damit verbunden fehlt bei Wahlen bislang eine Möglichkeit, ausdrücklich mit einem „Nein“ eine Nicht-Zustimmung zu allen Kandidierenden zum Ausdruck zu bringen. Will man zur Wahl stehende Kandidatinnen nicht wählen, bleibt nur die Wahlenthaltung oder das Ungültigwählen. Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben diese Wahlentscheidungen jedoch nicht.

Wahlverweigerung sollte Folgen für zu wählende Gremien und Mandatsträger selbst haben können.

Wahlenthaltungen sollten deshalb immer gleichberechtigt ausgewiesen werden, so dass sich die ausgewiesenen Prozentzahlen immer auf alle Wahlberechtigten beziehen. Denkbar ist auch, Wahlenthaltungen bei der Verteilung der Parlamentssitze zu berücksichtigen. Die Zahl der an die gewählten Parteien zu vergebenden Sitze verringerte sich entsprechend. Die Sitze der „Fraktion“ der Wahlenthaltungen blieben dann einfach leer. Alternativ könnten die Plätze im Parlament entsprechend verringert werden.

Bei einem gewissen Prozentsatz an Wahlenthaltungen könnte das Parlament seine Beschlussfähigkeit verlieren. Die Folge könnten Neuwahlen oder Vergabe der unbesetzten Sitze durch Losverfahren unter den Nichtwählern sein.

Darüber hinaus könnte eine ausdrückliche Nein-Stimme eingeführt werden. Parlamentssitze, die auf die Nein-Stimmen entfallen, könnten unter den Nein-Wählerinnen und -Wählern ausgelost werden. Wer Interesse an einem Parlamentssitz hat und an diesem Losverfahren teilnehmen möchte, müsste sich namentlich registrieren lassen und offen seine Nein-Stimme abgeben.


3. Parteien

3a. Finanzierung

Beobachtetes Defizit

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Parteien werden (nach Art. 21 (1) GG: „Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“) vom Staat finanziell unterstützt. Spenden natürlicher und juristischer Personen werden durch ihre steuerliche Berücksichtigung staatlich gefördert. Unternehmen und Industrieverbände spenden deshalb große Summen in unterschiedlicher Höhe auch an mehrere, scheinbar konkurrierende Parteien.

Die staatliche Unterstützung und die Mitgliedsbeiträge reichen für die großen Parteiapparate und die immer aufwändigeren Wahlkämpfe oft nicht aus. Die Abhängigkeit der Parteien von Spendengeldern steigt. Wahlkämpfe aber fördern offensichtlich keineswegs eine rationale Debatte über die Leitlinien der Politik, sie arbeiten mit Assoziationen, Emotionen, Halbwahrheiten und Lügen. Parteien sind immer anfälliger für entsprechende Spenderinteressen geworden.

Grundsätzlich sollte die Wahlentscheidung der Wählenden durch Meinungsbildung in der öffentlichen Debatte fallen. In dieser könnten und sollten Zusammenschlüsse aller Art, von der Bürgerinitiative gegen eine Umgehungsstraße bis hin zum Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. für ihre Interessen argumentieren. Parteienfinanzierung wäre somit ausschließlich Sache der Bürger.

Im Einzelnen könnte – unterschiedlich radikal – gefordert werden:

  • Offenlegungspflicht für Parteispenden schon ab geringerer Höhe. Parteispenden sollten auch nur bis zu einer gewissen Höhe zugelassen sein.
  • Parteispenden sollten nur Privatpersonen erlaubt sein.
  • Unternehmen und Verbände könnten Spenden in einen Spendenpool einfließen lassen, aus dem die Parteien anteilig oder bedarfsorientiert schöpfen könnten.
  • Parteien könnten verpflichtet werden, sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen zu finanzieren.
       

3b. Innerparteiliche Demokratie

Beobachtetes Defizit

Mögliche zu diskutierende Lösungsvorschläge


Ein sehr häufig angegebener Grund für Politikerverdrossenheit und Wahlverweigerung ist, dass Wahlversprechen von Parteien und einzelnen Kandidierenden nach der Wahl nicht eingehalten werden. Dies ist oft auch Grund für Ärger an der Parteibasis. Wenn Abgeordnete anders abstimmen, als sie es in ihrem Wahlkampf versprochen haben, können sie sich heute leicht z.B. darauf zurückziehen, dass sie ihr Versprechen einem Koalitionsvertrag, einem Erfolg an beliebiger anderer Stelle oder der Fraktionsdisziplin opfern mussten.

Ein imperatives Mandat würde die Abgeordneten an ihren Wahlauftrag binden. Es würde sie daran erinnern, in wessen Auftrag sie angetreten sind und wessen Interessen sie zu vertreten haben.

Oder: Mitgliederversammlungen der Parteien könnten Abgeordneten jederzeit das Mandat entziehen oder Vertreterinnen ihrer Partei aus Ämtern der Exekutive abberufen, wenn sie Parteitagsbeschlüssen zuwider handeln.


3c. Minderheiteninteressen

Beobachtetes Defizit

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Kleine Gruppen, die die Interessen weniger oder besonders zugespitzte Positionen vertreten, werden in den Parlamenten nicht angemessen vertreten. Die 5%-Hürde, die eine angemessene Repräsentation dieser Gruppen verhindert, soll angeblich die Bildung von (Koalitions-) Regierungen erleichtern.

Ein Sitz im Bundestag entspricht – grob gerechnet – immerhin ca. 72.000 Stimmen. Deshalb sollte die 5%-Hürde für Parteien ganz abgeschafft oder aber zumindest deutlich gesenkt werden. Wechselnde Mehrheiten bei Abstimmungen mögen für Regierungen mühsam sein, für die Demokratie kann das aber nur von Vorteil sein.


4. Abschaffung des Fraktionszwangs

Beobachtetes Defizit

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Im Grundgesetz heißt es in Artikel 38 Abs. 1 „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages … sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Diese Forderung wird heute in der Praxis zunehmend ausgehebelt: Die Abgeordneten stimmen i.d.R. so ab, wie es ihnen von der Fraktion vorgegeben wird. Würden sie eigenständig und gegen die Fraktionslinie abstimmen, müssten sie z.B. damit rechnen, bei Wahlen nicht wieder aufgestellt zu werden.

Es sollte untersagt werden, innerhalb von einzelnen Fraktionen irgendwelchen Zwang zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten auszuüben. Entsprechende Versuche sollten mit Strafen belegt werden. Durch geheime Abstimmungen könnte ein möglicher Zwang umgangen werden.


5. Abwahlmöglichkeit

Beobachtetes Defizit

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Immer wieder lösen Politiker durch Fehlverhalten Empörung aus (z.B. Skandale im Zuge der Parteispendenaffären; Verhalten der damaligen Justizministerin Merk im Fall Mollath; Verschwendung öffentlicher Gelder). Die Wählerinnen haben jedoch keine Möglichkeit, solches Fehlverhalten zu sanktionieren.

Wer als Politiker nicht nach seinem Amtsauftrag handelt, sollte das politische Amt verlieren können. Durch Abwahl könnten Politikerinnen ihres Amtes enthoben werden und es könnte ihnen z.B. für eine bestimmte Dauer die Ausübung öffentlicher politischer Ämter untersagt werden.

Alternativ könnten Mitgliederversammlungen der Parteien Abgeordneten jederzeit das Mandat entziehen oder Vertreterinnen ihrer Partei aus Ämtern abberufen, wenn sie Parteitagsbeschlüssen zuwider handeln.

Auch für Angestellte und Beamte in Ministerien sollte es ähnliche Sanktionsmechanismen geben, wenn diese – wie dies aktuell oft geschieht – aus parteipolitischen Gründen die Umsetzung und Ausarbeitung von Gesetzesvorhaben verzögern und sabotieren.


6. Mandatsdauer

Beobachtetes Defizit

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Politikerinnen machen immer mehr die Politik zu ihrem Beruf. Sie verlieren dadurch den Bezug zur „normalen“ Bevölkerung. Sie sind oft jahrzehntelang im Politikgeschäft tätig. Beim Ausscheiden wechseln sie wegen ihrer engen Kontakte zu politischen Entscheidern häufig in gut bezahlte Positionen in der privaten Wirtschaft. So entwickelt sich ein Berufspolitikertum, das politische Entscheidungen aus ganz eigenen Interessen trifft und das Allgemeinwohl aus dem Auge verliert.

Die Mandatsdauer für Abgeordnete sollte zeitlich befristet werden (zum Beispiel auf zwei Legislaturperioden).

Auch die Amtszeit in hohen Regierungsämtern könnte auf zwei Legislaturperioden begrenzt werden.

Es sollten harte Karenzzeiten zwischen einem hohen politischen Amt und einer Tätigkeit bei Unternehmen, die Lobbyarbeit betreiben, eingeführt werden.


7. Lobbyismus

Beobachtetes Defizit

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Lobbyisten beeinflussen maßgeblich unsere Politik. Ihr Handeln ist undurchsichtig. Die seit 1972 bestehende „Öffentliche Liste über die beim Bundestag registrierten Verbände und deren Vertreter“ enthält nur Verbände, keine Unternehmen oder Lobbyagenturen. Sie enthält auch keine Informationen über Budgets, Kundinnen und bearbeitete Themen. Der Eintrag in diese Liste ist freiwillig.

Interessenvertretung und die Artikulation von Gruppeninteressen gehört zu einer lebendigen Demokratie, ja, sie ist sogar ihr Motor. Undemokratisch wird eine Interessenvertretung jedoch dann, wenn sie undurchsichtig agiert und über Spenden, Zuwendungen oder Zusagen für „Versorgungsposten“ Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt.

Ein echtes Lobbyregister sollte eingeführt werden, in dem Lobbyarbeit betreibende Akteure Informationen über ihre Arbeit veröffentlichen müssen (Identität der Akteure, Ziele, Auftraggeberinnen sowie die finanziellen Mittel).

Ein „legislativer Fußabdruck“ sollte eingeführt werden: Bei der Erstellung von Gesetzen wird systematisch festgehalten, welcher Lobbyist in welcher Art und Weise Einfluss auf den Gesetzestext genommen hat. Dadurch wird auch für die Parlamentarierinnen, die am Ende über Gesetzesvorhaben abstimmen müssen, transparent, von wem welche Formulierung eingebracht wurde.

Interessengruppen können und sollen sich öffentlich äußern, d.h. ihre Forderungen an Beschlussgremien müssen transparent, also für alle einsehbar sein.

 


III. Ergänzungen zur repräsentativen Demokratie

1. Transparenz

Beobachtetes Defizit:

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Trotz Bürgerinformationsgesetz gibt es Bereiche, in denen es schwer ist, sich zu informieren. Vor allem bei Fragen nach dem Zustandekommen von Regierungsentscheidungen wird dieses Defizit deutlich: Wer hat wann aufgrund welcher und wessen Information was entschieden? Man bekommt keine, eine verzögerte oder teilweise geschwärzte oder unvollständige Auskunft.

Noch weit schlimmer ist es in Themenbereichen mit internationalem Bezug (z.B. Abschuss der MH17 in der Ukraine).

In Bezug auf Geheimdienste ist die Informationslage am schlimmsten – was für das Allgemeinwohl besonders gefährlich ist (z.B. NSA- und NSU-Affären).

  • Das Recht auf Transparenz aller politischen Verwaltungs- und Entscheidungsvorgänge sollte soweit vertieft werden, wie es das legitime Interesse an persönlichem Datenschutz Einzelner zulässt.
  • Es sollten für einzelne Themen Wahrheitsfindungs-Kommissionen geschaffen werden können, die bei unklarer Informationslage mit Nachdruck für Aufklärung sorgen.
  • Geheimdienste sind zumindest in der jetzigen Form mit Demokratie unvereinbar.

2. Abstimmungen der Bewohnerinnen

Beobachtetes Defizit

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Die Beteiligung der Bevölkerung als politischer Souverän an der Politik erschöpft sich in regelmäßig wiederkehrenden Wahlen. In zentralen Belangen werden Entscheidungen oft über die Köpfe der Bevölkerung hinweg auf Regierungsebene getroffen. Dabei sieht Art. 20 (2) GG nicht nur Wahlen, sondern explizit auch „Abstimmungen“ als Ausdruck der souveränen Willensbekundung vor.

Für bundesweite Abstimmungen wurde nie ein Ausführungsgesetz beschlossen. In Ländern und Kommunen sind die Regelungen unterschiedlich, aber stets verbesserungsbedürftig.

Abstimmungen der Bewohner auf der Ebene von Bund, Land oder Kommune sollten eingeführt, verbessert und regelmäßig genutzt werden. Bestehende Hürden zur Durchführung solcher Abstimmungen sollten abgebaut werden.

Gerade um den von Wahlen enttäuschten Menschen gerecht zu werden, wäre eine Abstimmung zu einzelnen Sachfragen eine gute Möglichkeit der Mitgestaltung der Gesellschaft. Hier ließen sich auch Bedürfnisse aus der Bevölkerung gut einbringen.

Abstimmungen setzen politische Bildung der Menschen, sachliche Aufklärung über den Abstimmungsgegenstand und eine politische Diskussionskultur voraus.


3. Bewohnerbeiräte

Beobachtetes Defizit:

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Politik ist überwiegend ein Geschäft von Berufspolitikerinnen geworden. Polemisch ausgedrückt: Es herrscht eine Politikerkaste. Diese erweist sich in Sachfragen oft erstaunlich uninformiert und ist nicht immer bereit, Sachargumente zu hören und zu verstehen.

Bürgerbeteiligungen werden angepriesen, sind aber meist Instrumente der „funktionalen Einbindung“ und keine, mit denen Bewohner die Chance haben, sich im Interesse eines wohlverstandenen Allgemeinwohls durchzusetzen.

Moderne Gesellschaften haben eine breite Schicht von in vielen Bereichen gut informierten und ausgebildeten Menschen hervorgebracht, die auch bereit sind, sich fachlich einzubringen. Es sollten institutionelle Formen der Mitbestimmung (nicht nur „Mitwirkung“) entwickelt werden, die möglichst sicherstellen, dass die Mitglieder dieser Beiräte nicht selbst wieder instrumentalisiert werden.


4. Freie Entfaltung autonomer Strukturen

Beobachtetes Defizit

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Bewohnerinnen empfinden viele Lebensbereiche als überreguliert.

Menschen mit autonomen Lebens- und Produktionsformen fühlen sich deshalb oft schikaniert und benachteiligt.

Es sollte ein anerkanntes Subsidiaritätsprinzip geben, d.h., dass Dinge, die z.B. die Kommune betreffen und die sie entscheiden kann, auch von ihr entschieden werden. Ist der Bau eines Freibads eindeutig kommunale Angelegenheit, ist die Lage bei z.B. der Bildung unklarer. Hierüber wird aktuell heftig debattiert. Eine solche Debatte muss allgemein und prinzipiell geführt und zu Ergebnissen gebracht werden, mit dem Ziel, Freiräume zu schaffen.


5. Medien

Beobachtetes Defizit:

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Die meisten Medien, egal ob Print, Online, Rundfunk oder Fernsehen sind in der Hand großer Medienkonzerne.

Im Zuge der Berichterstattung, insbesondere zu Konfliktthemen im Bereich der Politik, fällt eine zunehmend einseitige Desinformation auf. Die gesetzmäßige demokratische Kontrolle durch Presserat, Rundfunkbeirat etc. funktioniert weitgehend nicht.

Zudem ist den Menschen und ihren Initiativen und Bewegungen ein gleichrangiger Zugang zu den diversen Medien in der Praxis nicht möglich. Er ist schlicht nicht vorgesehen. So kann eine gleichberechtigte, mit gleichen Chancen für jede gesellschaftliche Gruppierung versehene Informationspolitik und Informationspraxis (z.B. im Hinblick auf anstehende Abstimmungen) nicht erfolgen, bzw. sie wird dadurch geradezu verhindert.

Kartellbildung und die Bildung von Schwergewichten in der Medienbranche stellen wegen ihres enormen manipulativen Potenzials ein großes Risiko für Gesellschaften dar und sollten deshalb vermieden bzw. untersagt werden.

Medienkonzerne sind in kleinere Einheiten mit getrennter und möglichst unabhängiger, eigenständiger Geschäftsführung zurückzuführen. Ihre Berichterstattung sollte informieren, nicht manipulieren. Ebenso ist eine Emotionalisierung in Richtung bestimmter Positionen zu unterlassen.

Initiativen und Bewegungen der Bürgerinnen sollten gleichberechtigten Zugang zu Sendezeiten oder entsprechendem Platz in den Print- und Online-Medien erhalten wie etwa Verbände, Parteien oder prominente Einzelpersonen. Dazu gehören klare, verbindliche Regeln und Verfahren, wie die Veröffentlichung von Beiträgen erfolgen kann. Der Rundfunkstaatsvertrag ist darauf hin zu überprüfen, ob er den vorgenannten Anforderungen entspricht.


6. Verfassung

Beobachtetes Defizit:

Mögliche zu diskutierende Lösungen


Im Grundgesetz heißt es in Art. 146: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Die Umsetzung dieses Gebots wurde nach 1989 bewusst vermieden. (Im GG fehlt mindestens bis 1. November 1975 der Relativsatz „das nach Vollendung … gilt“).

In der Bundesrepublik hat es – trotz des klaren Auftrags des Art. 146 GG – einen solchen verfassungsgebenden Prozess nach der Wiedervereinigung bislang nicht gegeben. Dort könnten die hier vorgeschlagenen Elemente zur Stärkung demokratischer Strukturen mit eingebunden werden. Eine Verfassungsdebatte könnte ein demokratischer Neubeginn werden.


 

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