Bericht über unsere Veranstaltung zur direkten Demokratie am 22.01.14

Bundesweiter Volksentscheid? Für und Wider.

 

Als Gastreferenten waren Sarah Händel und Hans Resch vom Verein Mehr Demokratie eingeladen. Der Verein hat jüngst sein 25-jähriges Jubiläum gefeiert und ist mit  derzeit rund 7000 Mitgliedern in vielen Bundesländern  Deutschlands vertreten, insbesondere in Bayern und in Baden-Württemberg, wo Stuttgart 21 viele neue Mitglieder gebracht hat. Dennoch findet Sarah Händel die Mitgliederzahl viel zu gering - im Vergleich zur Einwohnerzahl Deutschlands. Sie ist der Meinung, dass jeder Bürger sich nicht nur für sein Privatleben zu interessieren habe, sondern sich auch die Zeit und den Raum für politische Meinungsbildung nehmen sollte. In einer ca. dreiviertelstündigen Power-Point-Präsentation gibt Sarah Händel in einem Feuerwerk von Argumentation und Information sehr lebendig einen umfassenden Überblick über den gegenwärtigen Stand der Diskussion. Sie ist eine glühende Verfechterin von direkter Demokratie und ohne Wenn und Aber für die Einsetzung dieser Instrumente zur politischen Entscheidungsfindung, kennt aber durchaus die Gegenargumente und setzt sich mit ihnen auseinander. Ihre beiden Hauptargumentationslinien für mehr direkte Demokratie, insbesondere für den bundesweiten Volksentscheid,  sind:  Einerseits stecke unsere Demokratie in einer Krise und die direkte Demokratie könne  ein Heilmittel dagegen sein  und andererseits sei mehr Bürgerbeteiligung eine positive Weiterentwicklung unserer repräsentativen Demokratie. Die Politiker seien vielfach durch die erhöhte Komplexität unserer modernen Zeit mit großer Informationsdichte, viel Zeitdruck und internationalen Verflechtungen, die Handlungsspielräume einschränkten, überfordert und das Vertrauen der Bürger in eine Politik des "Nichtstuns", in der die Parteien scheinbar immer ähnlicher werden, empfindlich gestört. Folge seien Desinteresse, Frustration und Enttäuschung. Würden die Bürger jedoch direkt einbezogen, könne so Sachzwängen entgegengewirkt werden und Gestaltbarkeit wieder machbar werden. Entscheidungen hätten höhere Legitimation, die Bürger seien zufriedener, es gebe neuen Ideen-Input und Politiker schauten in einer Art "Vorwirkung" mehr auf das Volk und dessen Willen. All dieses bedeute eine Fortentwicklung unserer Demokratie. Die Menschen kämen aus ihrer Ohnmacht und würden wieder zu Handelnden.

Zwar sehe sie auch die Gefahren, so Sarah Händel weiter, auch "negative" Kräfte hätten mit Bürgerentscheiden ein Instrument für ihre Zwecke, Minderheitenrechte könnten ausgehebelt werden wie z.B. die Gesetzgebung zur Homosexualität o.ä., aber erstens hätte wir ein gut funktionierendes Verfassungsgericht und zweitens sehe sie die Chancen überwiegen.

 

Die Zuhörerschaft applaudierte und schätzte den feurigen Vortrag der Stuttgarterin, blieb jedoch immer noch skeptisch und man befürchtete einen manipulativen Umgang seitens der "Oberen" und der Lobbys, um die eigenen Ziele zu erreichen. Bei Stuttgart 21 sei die Volksabstimmung erstens unfair abgelaufen und im Nachhinein dazu benutzt worden, die Gegner mundtot zu machen. Es fehlten die notwendigen Kontrollmechanismen: Wissenschaft, Presse und Gerichtsbarkeit seien in unserem Land nicht mehr unabhängig. So könne Bürgerentscheiden eine fehlerhafte Datenlage zugrundegelegt, Falschaussagen gemacht und anschließend über den Sieg frohlockt werden. Das frustriere engagiert Bürger noch mehr und steigere die Unzufriedenheit. Auch bei dem Entscheid in Vaihingen zum neuen Radweg sei das so gewesen.Man sei sich auch nicht sicher, ob der gegenwärtige Bildungsstandard eine direkte Beteiligung wünschenswert und erfolgversprechend mache.

 

Doch man sah das Ganze auch positiv. In der Diskussion wurde klar, dass es sich in jedem Falle um einen Prozess handelt, der sehr lange dauern kann. Auch ist die Möglichkeit, die Instrumente zunächst auf kommunaler Ebene zu fordern und zu installieren, ein guter Anfang. Wir Bürger müssen uns darin üben, mitzuentscheiden, jede Abstimmung ist gleichzeitig eine große Bildungsveranstaltung.

Wird DIVaN sich in Zukunft insbesondere für die direkte Demokratie stark machen? Haben wir eine bessere Idee oder ist sie im Moment das Mittel der Wahl? Diese Fragen blieben am Abend noch unbeantwortet, aber das Thema bleibt spannend und wird beim nächsten DIVaNtreff am 5.2. weiterverfolgt werden.

 

Danke an Sarah Händel für ihre fulminante Präsentation und Hans Resch, der den Kontakt initiiert hat! DIVaN bleibt dran.